In den Weinbergen sind die Schadensachverständigen der Allianz Agrar jetzt unterwegs, um die endgültige Schadenbegutachtung vorzunehmen. Für viele der Betriebe ist die Versicherung die Sicherung der Existenz.
Röttingen in Franken im August 2024: Der Laie sieht sattgrüne Weinstöcke mit ausgewachsenen Trauben – zum Teil vielleicht etwas zu klein für die Jahreszeit. Die Schadensachverständigen Werner Kilian und Michael Schmitt sehen etwas ganz Anderes. Sie sehen wenige Weintrauben, die stark beschädigt sind, nicht annähernd vergleichbar zum normalen Entwicklungsstadium zu dieser Vegetationsperiode. Werner Kilian hält das Schätzer-Tablet in der Hand und trägt die Zahlen ein, die ihm Michael Schmitt nennt. Er zählt an 10 Weinstöcken, wie viele Triebe angeschnitten sind und wie viele Trauben sich gut entwickelt haben. Anhand der Begutachtung wird die Schadenhöhe ermittelt. In diesem Fall ca. 70% des begutachteten Weinbergs mit Weißburgunder.
Udo Engelhardt begleitet die beiden durch seinen Weinberg. Er hat in seiner langjährigen Erfahrung als Winzer schon viele Schadenjahre gesehen, mal schlägt der Hagel zu, mal friert es zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Was er aber dieses Jahr erlebt hat, das ist schon außergewöhnlich. „Seit 1985 hatten wir keinen solchen Frostschaden mehr. Wir haben in den Frostnächten Ende April alles getan, um die Folgen abzumildern, aber der Zeitpunkt traf die Weinstöcke zum ungünstigsten Zeitpunkt“, blickt er zurück. Jetzt hat die Gegend vor ein paar Tagen auch noch der Hagel getroffen, sichtbar als Schaden durch angeschlagene und aufgeplatzte Weintrauben. Die Schadensachverständigen kalkulieren auch diesen Schaden in die Gesamtberechnung ein und gehen weiter zum nächsten Weinberg. Hier hat es die Silvanertrauben noch ärger erwischt, beinahe ein Gesamtschaden. Michael Schmitt erklärt: „Das ganze System kommt aus dem Rhythmus, die Wettergefahren werden unberechenbarer, da kann der Winzer kaum etwas machen.“
Wäre Udo Engelhardt nicht versichert, wäre dieses Jahr eine existenzbedrohende Katastrophe. Viel weniger Ertrag und gleichzeitig müssen die Weinstöcke bearbeitet werden, sogar noch komplexer bearbeitet werden. Die Kosten bleiben, der Ertrag entgeht ihm. Er profitiert in Bayern von der Förderung der Mehrgefahrenversicherung und sieht diese bei der steigenden Gefahr durch den fortschreitenden Klimawandel als essenziell an. „Ohne Förderung würde ich überlegen, ob ich mich versichere – und daraus abgeleitet ob ich meiner Tochter empfehlen würde, weiter Wein anzubauen“, sagt Udo Engelhardt. Auch Martin Geißler, Vorstand der Winzergenossenschaft Franken, urteilt ähnlich: „Das schlimmste Ereignis seit beinahe 40 Jahren bedeutet schwere Verluste für die ganze Branche. Versicherte Betriebe kommen mit einem blauen Auge davon, aber nicht-versicherte Betriebe kämpfen, um dieses Jahr zu kompensieren.“
Für die Versicherung ist die Organisation der Begutachtung eine logistische Herausforderung, Schadensachverständige der Allianz Agrar müssen in wenigen Wochen ungewöhnlich viele Weinberge besichtigen. Die erste Besichtigung findet innerhalb weniger Wochen nach dem Schadereignis statt, um festzuhalten, wie die erwartete Schadenhöhe ist. Kurz vor der Lese besuchen die Sachverständigen die Kunden und Kundinnen noch einmal, um zu sehen, ob und wie sich Trauben entwickelt haben und um den tatsächlichen Schaden festzustellen. „Je nach Witterungsbedingungen und Rebsorte kann sich die Weinrebe ganz unterschiedlich entwickeln. Wir haben Kunden, bei denen die Schadenhöhe deutlich sinkt, aber auch diejenigen, bei denen die Schäden deutlich gravierender sind als ohnehin erwartet“, erklärt Werner Kilian. Deshalb ist es dem Schaden-Team der Allianz Agrar wichtig, die Schäden zweimal im Jahr zu besichtigen. Auch Udo Engelhardt hat dabei ein gutes Gefühl: „Hier kommen Profis, die mit mir gemeinsam die Schäden besichtigen. Da weiß ich, darauf kann ich mich verlassen.“